Die manische Sammelleidenschaft des Museumsgründers Gottfried Stammler ist allseits bekannt. Signifikant wird diese Obsession bei den sog. „kleinen Andachtsbildern“, kleinformatigen Bildern mit christlich-religiösen Motiven, die Stammler in mehreren Kästen bewahrte.
Die Geschichte des kleinen Andachtsbildes beginnt bei den exklusiven handgemalten Miniaturen aus Nonnenklöstern und entwickelt sich weiter über Holzschnitte und Kupferstiche zu Beginn des 15. Jahrhunderts, die somit als Einlegebildchen und Einblattdrucke der breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht wurden. Ab 1830 wurden die bis dato schwarz-weiß gedruckten Bildchen bis in die Gründerjahre erst mit der Hand, dann mittels Schablonen koloriert. Dies war sogar ein eigener Berufszweig, „Patronisten“ genannt, da der Vielfarbendruck lange Zeit zu kostspielig war. Ab 1870 erlebte die vielfarbige Chromolithografie (farbiger Steindruck) durch die Einführung der Schnellpresse ihren Durchbruch. Diese Bilder von Heiligen in teils ornamentalen und architektonischen Kartuschen und Rahmen erfreuten als reizvolle und wertig wirkende Erzeugnisse der Massenfabrikation die Landbevölkerung. Sie dienen der privaten Andacht, der Erinnerung an Verstorbene oder an besondere religiöse Ereignisse wie auch als Freundschaftsbeweis. Massenhaft hergestellte Bildchenware kam übrigens schon vor 200 Jahren hauptsächlich aus Nürnberg.
Es gab Prägedrucke, Stanzspitzenbilder (ein besonders Altes und Kunstvolles auch in der Sammlung Schnaittach), Klappbilder, Schleierbildchen, Schluckbildchen als religiöse Volksmedizin (der Name kann wörtlich verstanden werden!) und Hauchbilder. Diese sind eine besondere Spielerei und eine heutige Seltenheit. Es sind kleine, hauchdünne, farbige-transparente Bilder, die sich auf der Hand durch die Körperwärme oder beim Anhauchen einrollen. Früher (ab 1640) wurde die transparente Folie aus der Blase des Hausenfisches hergestellt, den Buchbinder und Maler schon immer verwendet hatten, aber Mitte des 19. Jahrhunderts nahm man Gelatine, die dann mit Goldfarbe bedruckt wurde. Vielleicht haben Sie auch eine*n „gehauchte*n Heilige*n“ zuhause?
(c) Dr. Nicole Brandmüller-Pfeil