Aus der Lehrmittelsammlung der Mittelschule stammt ein Unterkiefer-Modell aus handbemaltem Gips. Es zeigt einen Querschnitt vom Unterkiefer mit Zähnen, Knochen, Nerven, Gefäßen und Muskeln, die mit Buchstaben versehen sind. Es diente einst als Anschauungsmittel im Volksschulunterricht. Bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden und am unteren Rand des Sockels mit eingelassener Messingplakette „Bock-Steger/Lips“ signiert, lässt sich an diesem anatomischen Modell ein Stück Bildungsgeschichte aufzeigen.
Der Anatom Carl Ernst Bock (1809-1874), Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. machte sich mit Lehrbüchern wie etwa dem 1838 erschienenen „Handbuch der Anatomie des Menschen“ einen Namen. Zudem publizierte er für die Zeitschrift „Die Gartenlaube“, dem ersten großen Massenblatt und Vorläufer der heutigen Illustrierten, medizinisches Wissen leicht verständlich. Gesundheitliche Aufklärung und das Wissen um den eigenen Körper forderte er auch für den Schulunterricht. In Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Franz Josef Steger (1845-1938) entwickelte Bock deswegen anatomische und anthropologische Modelle, die ab 1870 unter der Signatur „Bock-Steger, Lips“ vertrieben wurden und vielfache Käuferschicht fanden. So hatten diese Modelle nicht nur einen didaktischen, sondern auch einen ästhetischen Wert, was nicht zuletzt damit zusammenhing, dass Mediziner und Künstler zusammenwirkten.
Mit der steigenden Nachfrage nach medizinischen Lehrmodellen gründeten sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts vielerorts Lehrmittelfirmen und-werkstätten, die sich ausschließlich diesem Zweig widmeten. Besonders im Bereich der Anatomie professionalisierten sich Werkstätten mit einem eigens entwickelten und umfangreichen Programm an Körpermodellen in Gips und Pappmaché.
Heutzutage haben sich diese Modelle weiterentwickelt und werden durch den Einsatz von Computertechnologie größtenteils obsolet.
(c) Dr. Nicole Brandmüller-Pfeil